Standards für das Sechserpack

von Hagen Zimmermann

Guitarra a seis. So nennt sich das zwölfhändige Zupfensemble aus hochdekorierten Solisten, die sich zum musikalischen Jahresauftakt der Klangreich-Konzertreihe in der Alten Kirche zu Romanshorn präsentierten. Mochte der Name dem reichlich versammelten Publikum auch spanisch vorkommen - die Spieler um Frontmann Jens Stibal eröffneten den Abend mit nordischem Volkston: Griegs Norwegische Tänze op. 35. Ausgerüstet mit Instrumenten verschiedener Mensuren, die im Verbund einen Tonraum von mehr als fünf Oktaven zu bespielen mächtig sind, zaubern die Akteure das Allegro marcato mit lautenartigem Diskant auf singendem Tiefen-Fundament in den Raum. Lyrisch und abgerundet fügt sich der langsame Satz zum harmonischen Ganzen, wobei das Ensemble penibel das Wechselspiel der melodieführenden Stimmen austariert. Pittoresk auf kurzwelligen Tönen tapst und torkelt der dritte Satz einher, kontrastiert vom schnellen Mittelteil, der spürbar die spieltechnischen Möglichkeiten bis an die Grenzen des Machbaren ausreizt. Bestechend hingegen der Schluss-Satz, getragen von tenoraler Melodie und einer volltönenden Sekundanz, die die trockene Schärfe des Diskants mild in ihr Klangbukett hüllt. Doch kann die aufgebotene Spielfertigkeit den rustikalen, sanguinischen Charme dieser Musik weniger eckig und kantig in Szene setzen, als von der Klavier- oder gar orchestrierten Fassung gewohnt.

Umso homogener und so in ihrer Darbietung restlos beglückend erweist sich die Bearbeitung von Bachs drittem Brandenburgischen Konzert. Dies liegt zum Einen in der Seelen- und Saitenverwandschaft hölzerner Korpusse, gleichsam vorbestimmt durch das als reinen Streichersatz plus Continuo geschriebene Original. Zum Anderen zeigt sich die Sechsergruppe hochsensibel im Umgang mit dem musikalischen Material: Behutsam entwickelt man das federnde Melos aus der Zelle, lenkt kontrapunktisches Geflecht in sauber gestaffelte Sequenzen und modelliert die kurzen feingliedrigen Solopassagen gekonnt aus dem Stimmgefüge. Zum guten Schluss ein wuchtiges Finale aus einer Melange aus summenden Basslinien und blitzsauberer Stimmführung, die bis in die hohen Lagen zum raumfüllenden Wohllaut verschmilzt – so kann und darf Concerto grosso-Stil auf der Gitarre klingen.

Nach einem handwerklich solide gezimmerten Arrangement der Rossini-Ouvertüre zur Buffo-Oper „L’italiana in Algeri“ lauscht die Hörerschaft gebannt den drei fein gewobenen Adaptionen aus Ravels Märchensuite „Ma mère l’oye“: Mit sicherer Hand und ausdrucksvoll führt das Ensemble in „Les Entretiens de la Belle et de la Bête“(Die Schöne und das Biest) das Gespräch zwischen dem ungleichen Paar. Zart intoniert, auf weich gewirkte Akkorde gebettet, erhebt sich das Melos aus „Le Jardin féerique“ klar und leicht mit elegischer Ruhe. Und wer die Geschichte der chinesischen Prinzessin Laidronnette und ihr auf Nussschalen musizierendes Volk der Porzellanfigürchen (Pagoden) nicht kennt, wird mit pentatonischer Spieldosenmusik herrlich genervt.

Der guten Stunde Klangrede folgend, fordert das Stück „Orawa“ des 2013 verstorbenen polnischen Komponisten Wojciech Kilar noch einmal hohe Aufmerksamkeit. Erlebbar wird, wie aus minimalistischen Loops und nach und nach zugefügten Tönen lebhafte Motorik sich zu kreisendem, artifiziellen Volkstanz verdichtet. Das Spiel mit der Konvention, das die Hörerwartungen mit ungleich langen Phrasen und Tempowechsel narrt, sogar einen kurzen, knappen und platten Dur-Klang nicht scheut und eine dynamisch befeuerte Schluss-Stretta mit einem ländlichem „Hoi“ aus sechs Männerkehlen krönt, hat sich den intensiven Beifall redlich verdient. Z wie Zugabe mit Zappa!